Wasserstoffbedarf (einschliesslich H2-Derivate) in Deutschland nach Sektoren. ©Bild: Ines

Initiative Energien Speichern: Geplantes Wasserstoff-Kernnetz in Deutschland ist überdimensioniert

(PM) Im Auftrag der Initiative Energien Speichern (Ines) hat Aurora Energy Research eine Kurzanalyse zum deutschen Wasserstoff-Kernnetz erarbeitet. Die Ersteinschätzungen legen nahe, dass eine weitergehende detaillierte Analyse notwendig ist, um die Auswahl robuster Kernnetz-Teile zu identifizieren und die Überbauung des Netzes und der Importkapazitäten zielgerichtet vorzunehmen. Insbesondere sollten unterschiedliche Nachfrage- und Angebots-Szenarien bei der Planung des Wasserstoffnetzes und der daraus abzuleitenden Importkapazitäten betrachtet werden, um eine effiziente Entwicklung der Wasserstoffnetze zu erreichen.


Im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie (Nws) und gemäss § 28r des deutschen Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – Enwg) haben die Fernleitungsnetzbetreiber (Fnb) am 15. November 2023 der deutschen Bundesnetzagentur einen Antragsentwurf für den Aufbau einer leistungsfähigen Wasserstoffnetzinfrastruktur vorgelegt. Der Entwurf schlägt die Schaffung eines Wasserstoffnetzes mit einer Leitungslänge von 9721 km in Deutschland vor (siehe ee-news.ch vom 16.11.23 >>). Das vorgeschlagene Wasserstoffnetz würde insgesamt über 13 Grenzübergangpunkte (Güp) verfügen, die Wasserstoffimporte und -exporte bis zu einer Kapazität von 59 GWh/h ermöglichen sollen. Es ist für eine Wasserstoff-Verbrauchsmenge im Umfang von 279 TWh ausgelegt. Das Wasserstoffnetz soll bis 2032 vollständig in Betrieb genommen werden. Im Auftrag der Ines hat die Aurora Energy Research GmbH eine Kurzanalyse zum Antragsentwurf durchgeführt.

Deutlich niedrigere Wasserstoffverbrauchsmengen
Für die mittlere Perspektive bis 2030 weisen die Aurora-Szenarien Central [1] und Net Zero [2] mit 73 bzw. 123 TWh deutlich niedrigere Wasserstoffverbrauchsmengen aus, als für die Wasserstoffnetzplanung angenommen. Die Nachfrageschätzungen des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz in der Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie (Nws) für 2030 fallen ebenfalls niedriger aus. Die Nws geht von einer Nachfrage zwischen 95 und 130 TWh im Jahr 2030 aus.

Signifikante Überbauung
Zur vollständigen Deckung des Wasserstoffverbrauchs aus dem Central-Szenario sind gemäss Aurora-Kurzanalyse mittelfristig Importkapazitäten an Grenzübergangspunkten von circa 10 GWh/h erforderlich, welche jedoch um notwendige Redundanzen wie beispielsweise die N-1-Sicherheit ergänzt werden müssen. Somit beinhalten die vorgeschlagenen Importkapazitäten von 59 GWh/h eine signifikante Überbauung gegenüber den durchschnittlichen und notwendigen Kapazitäten in der mittleren Frist.

Letzten Verlautbarungen folgend, wird eine deutliche Überbauung der tatsächlichen Netzbedarfe bewusst angestrebt, um die notwendigen Netzinfrastrukturen bereits für spätere Wasserstoffbedarfe frühzeitig vorzubereiten. In der langfristigen Perspektive bis 2050 weisen die Aurora-Szenarien Central und Net Zero mit 303 bzw. 562 TWh zwar deutlich höhere Wasserstoffverbrauchsmengen aus. Allerdings zeigt die weitergehende Analyse, dass im Central-Szenario trotzdem nur 28 GWh/h pipelinegebundene Importkapazitäten benötigt werden. Selbst im Net Zero-Szenario liegen die benötigten Grenzübergangskapazitäten bei lediglich 52 GWh/h. Die Ergebnisse wurden zwar nicht im Rahmen einer hydraulischen Wasserstoffnetzmodellierung gewonnen, sie verdeutlichen aber, dass verschiedene Szenarien zu einem wesentlich niedrigeren Bedarf an Importkapazitäten führen könnten.

Risiko von Überkapazitäten
Aus der Kurzanalyse lässt sich insofern schlussfolgern, dass die aktuelle Wasserstoffnetzplanung einer sehr unsicheren Planungsperspektive folgt. Der Markthochlauf für grünen Wasserstoff befindet sich noch in seinen Anfängen. Eine mittelfristige Überdimensionierung des Netzes könnte zwar vermeiden, dass infrastrukturelle Engpässe den Markthochlauf behindern. Angesichts der erheblichen Unsicherheiten in der Planung besteht damit aber auch das grosse Risiko nicht nur mittelfristig, sondern auch in der langen Frist Überkapazitäten zu schaffen.

Im Rahmen der Kurzanalyse wurde die Annahme der Wasserstoffnetzplanung der Fnb übernommen, dass die Nachfrage eine starke Struktur aufweist. Ob die dafür erforderliche Flexibilität tatsächlich über Importe angeboten werden kann, ist ebenfalls mit grosser Unsicherheit verbunden. Vor dem Hintergrund des grossen geologischen Potenzials zur Wasserstoffspeicherung in Deutschland ist von einer stärker inländischen Bereitstellung von Flexibilität auszugehen. Bei einer detaillierteren Analyse sollte daher eine stärkere Bereitstellung von Leistungen durch Speicher in Deutschland untersucht werden, um die Importkapazitäten der Grenzübergangspunkte und damit die Netzinvestitionskosten zu reduzieren.

[1] Das Central-Szenario beruht auf einer wirtschaftlichen Analyse und exogenen Annahmen bezüglich der Wasserstoffmarktentwicklung in Deutschland

[2] Im Net-Zero-Szenario werden die energiepolitischen Regierungsziele eingehalten und Klimaneutralität im Energiesektor erreicht

Aurora-Kurzanalyse zum Wasserstoffkernnetz >>

Text: Initiative Energien Speichern (Ines)

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1 Kommentare

Mark Müller

Wenn man analysiert, wer der Auftraggeber der Studie ist und welche Ziele die verfolgen, wird klar, was das Ergebnis der Studie sein musste.

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