2045 müssen in Deutschland rund 53 Millionen Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden, wie Analysen der Jülicher Forscher zeigen. Die Abscheidekosten von adsorptionsbasierten Dac-Anlagen liegen dann voraussichtlich bei etwa 290 €/t CO2.

Forschungszentrum Jülich: Treibhausgase – ab in den Untergrund?

(PM) Der beste Klimaschutz: Treibhausgase gar nicht erst entstehen lassen. Doch zusätzlich wird es nötig sein, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen und dauerhaft geologisch zu speichern, meinen Expert:innen des Forschungszentrums Jülich. Welche Chancen verspricht die Technologie?


Direct Air Capture and Storage (Dacs) wird laut Forschungszentrum Jülich mittelfristig eine kosteneffiziente und vielversprechende Technik zur CO2-Reduktion sein. Die Klimaziele werden nur zu erreichen sein, wenn es gelingt, Kohlendioxid in grossem Massstab aus der Atmosphäre zu entfernen und dauerhaft geologisch zu speichern. Im Helmholtz-Forschungsprojekt Dacstore, das vom Forschungszentrum Jülich koordiniert wird, arbeiten sechs Helmholtz-Zentren und die TU Berlin gemeinsam an technischen Lösungen sowie einer Roadmap für den schnellen und nachhaltigen Hochlauf dieser Technologie. Nun gaben die Projektpartner einen Einblick in den aktuellen Forschungsstand.

Treibhausgasneutralität nur mit negativen Emissionen zu erreichen
Das Einsparen von Kohlendioxid, kurz CO2 und die Umgestaltung des Energiesystems hat Priorität für den Klimaschutz. Doch diese Massnahmen – wie sie im deutschen Klimaschutzgesetz festgelegt sind – reichen nicht aus. Mittlerweile ist klar: Ohne die direkte Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre werden weder das 1.5- noch das 2-Grad-Ziel zu halten sein. So zeigen die jüngsten Analysen des IPCC, dass Treibhausgasneutralität nur mit sogenannten negativen Emissionen zu erreichen ist.

Hinzu kommt: Einige CO2-Emissionen sind nur sehr kostspielig zu reduzieren, beispielsweise in der Chemieindustrie oder im Flugverkehr. „Die aktive technische Abscheidung von CO2 aus der Atmosphäre und permanente geologische Speicherung wird voraussichtlich schon ab 2035 eine kosteneffektive Option, um diese verbleibenden Emissionen auszugleichen. Dies geht aus wissenschaftlichen Analysen hervor, die wir begleitend zu Dacstore erstellt haben“, erklärt Projektsprecher Prof. Detlef Stolten vom Forschungszentrum Jülich.

Zukünftige Kosten für Direct Air Capture (Dac)
Im Jahr 2045 müssen in Deutschland rund 53 Millionen Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden, wie Analysen der Jülicher Forscher zeigen. Die Abscheidekosten von adsorptionsbasierten Dac-Anlagen liegen dann im Durchschnitt voraussichtlich bei etwa 290 Euro pro Tonne CO2. Die niedrigsten Kosten im Jahr 2045 sind mit 235 Euro pro Tonne in Norddeutschland zu erwarten, wo besonders viel Windstrom produziert wird und sich auch geeignete CO2-Speicherstätten befinden. „Die Abscheidung von CO2 aus der Luft wäre damit kostengünstiger als die Vermeidung von Emissionen in schwer dekarbonisierbaren Bereichen wie beispielsweise der chemischen Industrie“, sagt der wissenschaftliche Koordinator von Dacstore Thomas Schöb aus dem Institut Jülicher Systemanalyse.

Potenziale der CO2 Speicherung in Deutschland
Geeignete geologische Speicher für abgeschiedenes CO2 in Deutschland sind beispielsweise ausgeförderte Erdgaslagerstätten oder salzwasserführende Gesteinsschichten, sogenannte saline Aquifere. Gemäss Abschätzungen der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe bieten diese beiden Optionen ein Potenzial, um etwa 12 Milliarden Tonnen CO2 aufzunehmen. „Zur Bestimmung der am besten geeigneten CO2-Speicherstandorte werden verschiedene geologische, ökonomische und umweltbezogene Parameter berücksichtigt. Zudem wird anschliessend eine Infrastrukturanalyse für den CO2-Transport durchgeführt, die auch eine Risikobewertung beinhaltet“, erklärt Cornelia Schmidt-Hattenberger vom Geoforschungszentrum Potsdam.

Rechtliche Anforderungen in Deutschland
„Politisch und rechtlich ist es wichtig, die technikbasierte CO2-Entnahme von anderen klimapolitischen Massnahmen abzugrenzen. Insbesondere muss klar zwischen der CO2-Abscheidung an fossilen Kraftwerken oder bei Industrieprozessen und der direkten Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre unterschieden werden, da nur letztere in Verbindung mit permanenter Speicherung negative Emissionen bereitstellt“, betont Till Markus vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung Leipzig. Das Recht muss so weiterentwickelt werden, dass es die effektive, effiziente und ökologisch nachhaltige Entwicklung und Anwendung von Dacs unterstützt. Hierzu zählt auch, dass es den inländischen und grenzüberschreitenden Ausbau von CO2-Transportnetzen sowie die umfangreiche Speicherung von CO2 ermöglicht.

Verteilte Dac in Lüftungsanlagen: ein Demonstrator
Zur CO2-Abscheidung könnten Lüftungsanlagen in grösseren Gebäuden zukünftig mit Dac-Anlagen erweitert werden. Dieser Ansatz verteilter Dac-Anlagen hat den Vorteil, dass keine zusätzlichen Flächen für neue Industrieanlagen benötigt werden und die Anlagen in die gebaute Infrastruktur integriert werden können. „Bei Umsetzung in 15 Prozent aller Bürogebäuden mit einer Nutzfläche über 2500 m2 könnten so 15 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr aus der Atmosphäre entfernt werden“, erklärt Prof. Roland Dittmeyer vom Karlsruhe Institut für Technologie (Kit). Am Institut für Mikroverfahrenstechnik des Kit wird derzeit ein Demonstrator aufgebaut, um Daten für einen optimalen Entwurf und Betrieb solcher Systeme zu gewinnen.

Plattform für Material- und Technologieentwicklung
Regionale und klimatische Unterschiede erfordern unterschiedliche Ansätze. „Ziel von Dacstore ist die Entwicklung von Dac-Technologien, die an verschiedenen Standorten auf der ganzen Welt eingesetzt werden können“, erläutert Dr. Prokopios Georgopanos vom Helmholtz-Zentrum Hereon. Die Forschung der an DacstorE beteiligten Einrichtungen konzentriert sich auf drei Technologien und die Verringerung des Energieverbrauchs sowie der Skalierbarkeit der zugrunde liegenden Verfahren. Für den klassischen Adsorptionsansatz werden hochporöse Partikel hergestellt, während der Membran-Adsorptionsansatz die Membrantechnologie und Adsorberpartikel kombiniert. Getestet werden diese Ansätze zusammen mit der sogenannten Electro-Swing Adsorption, die nur elektrische Energie zur Regeneration der Filtermaterialen benötigt bei verschiedenen Klimaparametern wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit.

Dacstore
Sechs Helmholtz-Zentren forschen in Kooperation mit der TU Berlin an technischen Lösungen zur CO2-Abscheidung aus der Luft und Speicherung in geologischen Formationen. Ziel des Projektes Dacstore (A Comprehensive Approach to Harnessing the Innovation Potential of Direct Air Capture and Storage for Reaching CO2-Neutrality) ist es, einen sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltigen Hochlauf dieser Technologie weltweit zu unterstützen. Mit ihr können nicht-vermeidbare Emissionen von Treibhausgasen durch die Bereitstellung von negativen Emissionen ausgeglichen werden. Unsere Forscher:innen beraten Industrie, Politik und Gesellschaft ausserdem mit ihrem Fachwissen über diese neue Technologie.

Text: Forschungszentrum Jülich

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